18.02.25 – ein tag im schatten der berge
heute
war wieder so ein tag,
an dem mir die unsichtbaren klüfte zwischen den welten
in die augen starrten
und ich wieder einmal spürte,
wie tief kulturelle unterschiede in unseren blicken wurzeln.
am morgen, noch im dämmerlicht,
bat mich meine gastmutter –
mit diesem leisen, aber bestimmten ton –
„fahr mich mit dem scooter in die schule,
ich kann nicht selbst“
und ich wusste sofort:
das ist mehr als nur ein fahrtanlass.
es ist ein ritual,
ein stummes stolz-zeigen
an eine welt, die mich als das fremde, das weiße abbild sieht.
drinnen, im kleinen wartesaal
eines dorfarztprojektes,
wo einmal im jahr helfer und ärzte
mit ihren weißen kitteln
und ehrlichen gesichtern
kostenlose behandlungen verteilen,
da stand meine gastmutter -
es sollte nur eine zahnreinigung werden,
nichts großartiges,
doch in ihren augen
war das ein moment der verbindung.
ich setzte mich,
ein stiller beobachter,
und spürte die blicke – neugierig,
fragend, als wäre ich ein sonderexponat
inmitten dieser warmen, rauen welt.
die menschen um mich herum,
die helfer, die patienten,
alle warfen mir blicke zu,
die sagten: „da ist sie,
die weiße, westliche fremde“
und in diesem augenblick
war ich zugleich außenstehende und ein teil ihres universums.
als meine gastmutter sich nach der behandlung erhob,
sah sie mich an
und flüsterte fast, fast im stillen:„warum machst du es nicht auch?“
ich hatte den gedanken schon in mir getragen –
warum nicht, wenn die chance auf kostenlose heilung
so nah und doch so schwer zu fassen ist?
doch in diesem fragen lag auch die schwere meiner eigenen identität:
ich wusste um die blicke,
das geflüster,
das ungesagte urteil,
das in jeder falte meines seins mitschwang.
in diesem moment,
als die welt sich in den schattierungen von inclusion und distanz verlor,
spürte ich mit brutaler klarheit
die last meiner eigenen herkunft,
meine haut, mein anderssein,
die jahrhundertealten mechanismen der globalen ungleichheit –
nicht als straf,
sondern als bittersüßes erbe.
doch dann,
in einem stillen akte der zugehörigkeit,
setzte ich mich auf den behandlungsstuhl.
eine zahnreinigung –
mehr als nur eine behandlung,
ein symbol, ein leiser rebellionsakt
gegen die unsichtbaren mauern,
die uns trennen.
ich wollte nicht länger nur die beobachterin sein,
die außenstehende,
ich wollte teil werden –
denn in diesem kleinen ritual
lag die möglichkeit,
diese kluft zu überbrücken,
selbst wenn es nur im kopf geschah.
vielleicht huschten noch komische blicke,
vielleicht flüsterte man hinter vorgehaltener hand,
doch in diesem moment fühlte ich mich
ein stück weniger fremd,
ein stück mehr zuhause –
als teil einer gemeinschaft,
die mich trotz aller unterschiede
für einen kurzen augenblick umarmt.
die soziologen reden von kultureller immersion,
vom eintauchen in das fremde,
um das eigene neu zu entdecken.
doch wahre immersion heißt,
auch die unangenehmen momente zu akzeptieren,
das unbehagen anzunehmen
und trotzdem einen schritt weiterzugehen.
an dieser schwelle,
zwischen der angst vor dem anderssein
und dem mut, teil des ganzen zu werden,
liegt vielleicht das echte verstehen.
Hannah Lea van Staa
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